Sonntag, 18. November 2018

Wingenfelder - das sieben-Himmel-hoch-Konzert im Jovel

Eine Konzertkritik


Wo geht Ihr hin? Wo ward Ihr? Wingenfelder? Wattndatt? Soweit die einhellige Reaktion roundabout. Wingenfelder? Kennta nich? Kennta doch? Wetten? Alle, wie Ihr da seid.

Wer ist Wingenfelder? 


Nachdem ich schon im TGiF und auf Twitter angeteasert hab, klär ich dann auch auf: "Wingenfelder" ist ein Pop/Rock-Duo. Das sozusagen "after Hall of Fame project" der Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder. Die Beiden waren die Frontmänner der Band "Fury in the Slaughterhouse", die uns alle, alle ausnahmlos, ich wette, durch unsere Jugend begleitet und im letzten Jahr eine furyiose Geburtstags-Jubiläums-Retro-Tour hingelegt hat, aber trotzdem nicht wiedererweckt wird. Jetzt wissta, ne? Klar.

Plan B 


Und jetzt muss ich mich und meine Aufmerksamkeit für Musik-Projekte abseits des Mainstreams selbst loben. Wie Ihr wisst, bin ich bekennende Radiohörerin. Wirklich gerne höre ich PlanB bei Einslive, wo u.a. Musik abseits der gängigen Radio-Playlists vorgestellt wird. Wie z.B. Wingenfelder. Als die in Plan B vorgestellt wurden, wurde ich sofort hellhörig, weil ich eben die Stimme kannte. Auch wenn ich die Erklärung des Radio-Moderators brauchte, bis ich die Stimme zuordnen konnte. Kurz darauf saß ich mit dem Gatten vor dem PC, wir mussten dringend einen Eventim Gutschein verfrühstücken, bevor dieser in die ewigen Jagdgründe nicht eingelöster Gutscheine eingehen würde. Dafür ackerten wir die Programme der kleinen Music-Halls in unserer Nähe durch, natürlich auch das des Münsteraner Jovel, in dem wir schon so einige Aha-Erlebnisse hatten. Und was sahen meine Augen? Wingenfelder stellen im Jovel ihr neues Album "Sieben Himmel hoch" vor. Das wäre doch mal eine Aktion. Der Gatte natürlich: "Wingenfelder? Was soll das denn sein?" Der Gute bekam dann schnell den Segen "von wegen, Du bist mir vielleicht ein Fan" - denn im Gegensatz zu mir fand er die Furies dareinst so toll, dass er sogar 5 Fury Alben in seinem Besitz hat. Musste ich also nicht weiter überreden. Aber Augen auf beim Ticket-Kauf! Das Konzert war gar nicht in der Music Hall, es fand im viel kleineren, kuscheligen Jovel-Club statt. Handverlesene 500 people. Näher dran kann man kaum sein. Gut also für uns. Auch wenn mir das beim Ticket-Kauf nicht klar war.

Sieben Himmel hoch


Die Wingenfelders spielen nach wie vor klassische Rockmusik, in dieser Konstellation vorwiegend in deutscher Sprache und schnörkelloser als die Furies. Es gab Balladen, Mitgröhlen ist zwischendurch aber auch erwünscht.  In ihren Texten erzählen sie vom Leben und Lieben der Forty-bis Fiftysomethings, positionieren sich aber auch politisch eindeutig. Ziemlich weit weg von rechts, werbend für tolerantes Miteinander. Mitunter leicht romantisch verklärt.


Die beiden und ihre Begleitband sind versierte, gestandene Musiker - das passte alles und war ein echter Hochgenuss live und in so kleinem Rahmen. Ich fühlte mich nachgerade geehrt, dies erleben zu dürfen. Zumal neben der musikalischen Kompetenz auch die jahrelange Bühnenerfahrung gut fühlbar war. Man merkte, dass die beiden es gewohnt sind, eine große Bühne und ein großes Publikum zu bespielen. Das merkte man aber nur durch das Fehlen jeglicher Unsicherheit. Was auch gut spürbar war: Die Band fand den engen Kontakt zum Publikum großartig und genoß es, die  Reaktionen unmittelbarer zu erleben. Sehr cool  fand ich den Moment, als Kai Wingenfelder einen kleinen Spaziergang durchs Publikum unternahm, hinter meinem Vormann stehen blieb und sich in aller Coolness und Ruhe beguckte, was dieser gerade so filmte. Das Gesicht des guten Manns, als er dessen gewahr wurde - das war schon echtes Kino.

We've got time to wait 


Ganz großes Kino war auch Time to wonder. Eins meiner All-Time-Favourite Stücke. All time. Forever and ever.  Gehört zu meiner Jugend wie sonst nur wenige Stücke, viele Erinnerungen sind damit verbunden. Ich fand dieses Stück immer sensationell und freue mich bis heute, wenn es auf Veranstaltungen gespielt wird.  Aber sonst hatte ich es nie so mit den Furies. Ich fand die sonstige Mucke ok, aber es hat mich nie so von den Stühlen gerissen, dass es mich dringend zu einem Konzert gedrängt hätte. Und irgendwie hat es sich auch nie ergeben, dass die auf einem Festival waren, wo auch ich war. Wobei ich da schon echt soviel Kroppzeug live über mich ergehen hab lassen müssen, da wären die Furies echt ein Lichtblick gewesen.

Jedenfalls - ich fand es dennoch schade, dass ich nie Time to wonder live gehört hatte. Ein All-Time-Favourite-Stück live zu hören, ist immer ein Gänsehaut-Moment, immer etwas ganz ganz Besonderes. Jedenfalls für mich. ich hab auch nie damit gerechnet, dies nochmal live zu kriegen. Auch von diesem Abend hatte ich mir das nicht versprochen. Ich hätte es legitim gefunden, wenn die Wingenfelders sich auf ihr immerhin auch schon 8 Jahre alt gewordenes Projekt konzentriert hätten. Sie haben es aber gespielt. Warum auch nicht.  Das Lied gehört den beiden, sie haben es geschrieben. Sie haben es mitten im Setting gebracht. so nach dem Motto "Das gehört zu uns, wir sind stolz drauf, aber als Zugabe gibt es die Höhepunkte des neuen Projekts". Fand ich klug. Und es von den beiden, die dieses Meisterwerk geschaffen haben, live und in so kleinem Rahmen zu hören, das war einfach Hach. Ach hach. Die ersten Takte schaffen es immer, mir Gänsehaut zu verursachen, als Kai Wingenfelder aber live  mit "We've got time to wait" begann, hat es mir die Tränen in die Augen getrieben. 

Einer meiner berührendsten Momente in diesem Jahr. Und tatsächlich eins der großartigsten Konzerte in diesem an Konzerten gar nicht so armen Jahr. Geht mal hin, wenn die in der Nähe sind. Tut was für Euch. Versprochen.

* Dieser Blogpost ist keine Werbung. Weder bezahlt, noch unbezahlt. Auch nicht in Absprache mit den Künstlern. Das ist eine Konzertkritik. Dass sie durchgehend positiv ist - Glücksssache