Extraschicht - unsere Bilanz
Wir waren geringfügig erleichtert und dezent frustriert, als wir gestern abend die Bilanz unserer Mission Endlich Extraschicht zogen. Spoiler zur Extraschicht: Das Gigantischste an der Extraschicht ist ihre Medien-und Marketing-Kampagne. Und wir sind drauf reingefallen. Mit uns zig andere - die aber wahrscheinlich trotzdem brav weiter mitstricken an der Mär der einzigartigen Veranstaltung. Weil sie entweder nicht zugeben wollen, dass sie auch nicht verstanden haben, was denn jetzt so toll war an dem Abend oder eben wie so viele - und da nehme ich mich gar nicht aus - nur zu gerne mit stricken an der Legende vom hippen coolen sexy einzigartigen Ruhrpott. Watt hatte ich mich gefreut!
Endlich Extraschicht!
Seit Jahren will ich dahin, seit Jahren linste ich neidvoll auf die vielen tollen Fottos bei Twitter, las die jubelnden Berichte in den einschlägigen Gazetten und ärgerte mich still über das schlechte Timing. Dabei schien die Extraschicht ein Event wie gemacht zu sein, um ein Pottmädchen-Herz höher schlagen zu lassen. Was für eine magische Idee. Eine Nacht gewidmet der Industriekultur, Licht-, Feuer-, Sanges-Akrobatik- und watt noch allet Kunst zeitgleich an allen Industriekultur-Standorten, Sonderaktionen dazu.
Aber: Irgendwatt war immer, was wir nicht absagen konnten. Goldhochzeiten, Abibälle, rundende Freunde. Dieses Jahr verabredeten wir uns frühzeitig mit Trixelinchen und ihrem Mann, der nie schreibt und stiegen in die Planungen ein. Ich besorgte die als Tickets fungierenden Armbändchen für 17 Öcken pro Nase im VVK ( abends schmale 20 Euronen) , der Trixelinchen-Gatte erklärte sich bereit, uns durch die Nacht zu fahren, das mobile High-Tech-Kühlgerät des Ruhebewahrers wurde in Stellung gebracht und ergiebig bestückt, nur das mit dem fahrenden Dixie-Klo entsprach nicht ganz der durchaus vorhandenen Motivation. Sehr schade. Denn wie sich im Laufe der Nacht herausstellte, war pipilieren ein von den Veranstaltern kaum bedachtes Problem. Wir hätten mit einem mobilen Klosett sicherlich richtig Kohle machen können, so viele in so großen Nöten befindliche Extraschichtler hauptsächlich Schichtlerinnen begegneten uns unterwegs. Den Preis für unsere nutzlosen Bändchen hätten wir so locker rausgestrullert bekommen.
Extraschicht in Duisburg
Wir erlauschten eine Jazz-Band, über die man allenfalls lobend sagen konnte: Sie gaben sich stets Mühe oder wie es der Trixelinen-Mann formulierte: "Hauptsache, er kann blasen. Rhythmus muss er ja nicht können." Wir passierten unzählige Fressbuden und registrierten: Im Innenhafen läuft alles unter umsonst und draußen. Unsere Bändchen können wir getrost unter der Jacke trocken halten, nicht, dass uns die zwar teuren, aber materialmäßig eher schwachen Bändchen noch aufweichen und wir beim nächsten Spielort umsonst draußen bleiben können. Ab zum Schiffssteiger. Zum Glück sind wir ortskundig, denn ausgeschildert war dort wie sonst auch überall genau nichts. Die Schlange war lang und wir sahen, der Shuttle war gar kein Shuttle, er fuhr nur 1x die Stunde zu festgelegten Zeiten. Halbe Stunde würde es noch dauern. Der Captain inspizierte und verkündete: Großes Schiff, sehr großes Schiff, da passen locker alle drauf. Feini. Bißchen warten, damit hatten wir schon gerechnet. Wir also nuckelten an unserer Wegzehrung und ab und an ging es auch ein Stückchen weiter.
Unten am Kai angekommen, wunderten wir uns so langsam. Ab und an verschwand eine kleine Traube Menschen - und ward nicht mehr gesehen. Wir standen vor diesem riesigen Schiff, aber kein Mensch war drin. Waren wir an Gleis 9 3/4? Dann auf einmal lautes Rufen und Juchhei hinter uns. Wir drehten uns um und erspähten eine Nussschale, auf der vielleicht mit viel gutem Willen 100 People platziert waren. Die Glücklichen, die geshuttlet wurden. Denn es war nicht das Riesen-Schiff, welches shuttlete, das Riesen-Schiff diente nur als Durchgang zur Nussschale. Daher das 9 3/4 Gefühl. Unsere Alternative: auf den nächsten "Shuttle" eine Stunde später warten, in der Hoffnung, dass unser mühsam erstandener Warteplatz in der Schlange dafür reichte oder Plan B. Plan B erschien uns safer. Also zurück. Kurz noch 'ne Pommes geschnappt und ernüchtert wie wir waren, direkt mit dem Auto zum Landschaftspark Nord. ShuttleBusse hatten wir noch keine gesehen und das würde sich im übrigen bis ein Uhr nachts nicht ändern. Auch davon gab es wohl nicht so viele, dass sich der Begriff Shuttle wirklich bestätigte( wie ich im Nachgang noch herausfand, hielt der Shuttle für den LandschaftsparkNord - immerhin eine der größten Standorte - 1 km weit weg in der Wallachhei. Warum auch immer. Denn eine große Straße führt dort ja vorbei. Verstehe, wer will )
Extraschicht im Landschaftspark Nord Duisburg ( La-Pa-Du)
Aber Wegweiser fehlten ebenfalls in Gänze und bei der Größe des Areals kann man ja schlecht bis ans andere Ende, um zu gucken, ob da nicht vielleicht doch noch was ist. Sahen wir doch beim Fußweg vom Parkplatz, dass auch die angekündigten Führungen am biologischen Zentrum irgendwie eher nicht stattfinden würden. Das Einzige, was wir dort hätten noch machen können: Im Regen stehen und FresssStände abklappern. Davon gab es überreichlich. Street-Food-Market neudeutsch genannt. Leider nur zu oft zu übersetzen mit MatschePampe zu völlig überteuerten Preisen. Gerne auch vegan. Wir jedenfalls konnten uns nicht vorstellen, noch eine Stunde so zu verbringen, das Feuerwerk würde also ohne uns stattfinden. Überließen wir es also den Leuten ohne Bändchen. Man muss auch gönnen können. Aber wahrscheinlich war genau das Feuerwerk dann die Aktion, die den vollmundigen Ankündigungen entsprochen hätte. Ganz bestimmt. Dafür hatten wir dann doch noch Spaß mit der 112. Auf der Rückfahrt ebneten die großen roten Wagen uns nämlich den Weg aus dem Gedrängel und der Trixelinchen-Gatte gab den Chef der Feuerwehr mit lauthals gebrüllten Befehlen in die Nacht. Das war die bis dahin gelungenste Vorstellung des Abends. (Sie würde es auch bleiben.)
Extraschicht in Gelsenkirchen
Wie teuer ist die Extraschicht? Ist sie es wert?
Sowas fällt immer unter private Risikosphäre. Aber das Gefühl dezent verarscht worden zu sein, kann keiner von uns abschütteln. Ich sach ma so: Sollten wir nächstes Jahr an diesem Termin mal nichts vorhaben und das Wetter ist schön - man könnte drüber nachdenken, zu einer Location zu fahren, ein bißchen was zu schnabulieren, ein bißchen Musik zu hören und ein Feuerwerk zu schauen. Aber diese Bändchen kaufen wir nie, nie wieder. Denn letztendlich hatten wir 17 Öcken pro Nase ausgegeben, um 10 Minuten die Künste der Tanzformation Bottrop-Velbert genießen zu dürfen. Uns allen ist völlig unverständlich, wieso in all den Jahren nie eine kritische Stimme über diese Veranstaltung zu hören war. Die Geschichte der Extraschicht ist wohl die einer sich verselbstständigenden großangelegten Lobhudelei ohne Grund. Und ich hatte 17 Jahre lang Herzchenbluten. Ebenfalls ohne Grund.
Der Mond von Wanne-Eickel über Gelsenkirchen? Sind bestimmt Fake News. Rüchtich. War ein Ballon. Immerhin ein schönes Bild. |
Lob des Abends: Wenigstens hat die Britta an Alkohol gedacht für unterwegs.
Stoßseufzer des Abends: Hier laufen se. Woanders werden se gesucht. (zu später Stunde angesichts diverser struntendichter Besuchergruppen, die ihren Frust wohl ertränkten )
Erfolgserlebnis des Abends: Die Kühlkette der Salzstangen wurde nicht unterbrochen
( Weitere Bebilderung ist mir zu mühsam, müsste ich mir erst von den anderen zusammensuchen. Seht es mir nach. Aber es finden sich in Funk, Fernsehen, Presse und sozialen Medien genug feine Bilder, die ein ganz wunderbares Event suggerieren. )