Eine Serie, wie gestrickt für mich, die spoilerfreudige Zuschauerin. Ja, ich geb es zu. ich spoilere mich gerne und konsequent. Wenn ich ein neues Buch beginne, dann lese ich zunächst die ersten Seiten und dann die letzten. Ähnlich mit einer neuen Serie. Spätestens nach der ersten Folge bemühe ich diverse Episodenguides vorhaltende Portale, um das Ende einer Staffel zu erfahren. Das hat nichts mit der weiland von Meg Ryan in Harry und Sally beschworenen Tiefgründigkeit "Wenn ich sterbe, weiß ich wenigstens, wie es ausgegangen ist" zu tun, sondern damit, dass ich das "Wie" in einem Buch oder einer Serie wesentlich interessanter finde als das "Was". Sprich, ich verfolge mit großem Interesse, wie die Macher auf ihr Ende hingearbeitet haben und wie sowas von sowas kommen konnte. Das Ende an sich ist mir eigentlich egal, da akzeptiere ich meist schicksalsergeben dichterische Freiheit, aber ob es schlüssig ist, das will ich immer wissen.
Genug der Vorrede. Die Serie Bloodline bedient diese meine Vorliebe perfekt. Bloodline erzählt eine Familiengeschichte, besser gesagt einen Familienthriller. Schon in den allerersten Sequenzen erfährt der Zuschauer, dass diese Geschichte nicht gut ausgehen wird. Die Stimme aus dem Off verrät es uns "Etwas Schreckliches wird passieren .... und nichts kann das verhindern". Die Stimme gehört dem "guten " Bruder John und er verrät uns am Ende der ersten Folge auch, wen es treffen wird und wie. Nur das "warum" wissen wir nicht. Und das macht es ganz ungeheuer spannend und illustriert außerdem ganz nebenbei perfekt meine Spoiler-Begeisterung.
Bloodline spielt in den idyllischen Florida-Keys, gedreht an Originalschausplätzen. Die Familie Rayburn führt dort ein formidables Hotel, ist bestens integriert in die Gesellschaft. Die Serie beginnt mit einer fröhlichen Feier, zu der sich alle Geschwister im Familiensitz bei den Eltern einfinden. Vier Geschwister sind sie, doch einer ist der verlorene Sohn, das schwarze Schaf der Familie. Abel sozusagen. Auch dass es mehrere Kains geben wird, erfahren wir sehr früh. Danny, der verlorene Sohn kommt also überraschend auch zu der Feier und - er will bleiben. Zurückkehren in den Schoß der Familie. Kann er das, darf er das? Und warum ist das überhaupt eine Frage? Wer von der Familie lügt, wer hat noch verborgene Geheimnisse oder besser gefragt: Wer nicht? Und was ist mit Danny los, dem verlorenen Sohn? Wie es scheint, wird er der Eine sein, der sie alle aus ihrem Paradies vertreibt. Weil - vielleicht haben sie es nicht besser verdient. Die Serie stellt eine der Grundfragen des Lebens: Ist man wirklich der, der man ist oder verharrt man in der Rolle, die einem innerhalb eines Familiengefüges zugewiesen wurde? Woraus beziehen wir unsere Identifikation?
In manchen Momenten erinnert die Serie an die großartige Serie "the Affair". Wenn auch ohne ausschlaggebende Affäre. Aber in Punkto Geheimnisse und zunächst Verborgenes und nur langsam ans Licht Kommendes steht Bloodline der Affäre in nichts nach. Bloodline enthüllt diese Geheimnisse allerdings außerordentlich gemächlich, man braucht zunächst einen langen Atem. Selbst ich als erklärter Fan epischer erzählter Geschichten habe vier Folgen gebraucht, bis die Serie mich richtig gepackt und in ihren Sog hineingezogen hatte. Bloodline gehört zu den bemerkenswerten Eigenproduktionen von Netflix und wartet neben großartigen Bildern auch mit namhaften Schauspielern auf. Chloé Sevigne gibt überzeugend melancholisch die liebenswerte Dorfschlampe, Sissy Spacek ist dabei und Sam Shepherd gibt einmal mehr den knorrigen Patriarchen. Nicht ganz so prominent, aber in ihren schaupielerischen Leistungen den berühmten Kollegen in nichts nachstehend sind Kyle Chandler und Ben Mendelsohn als ungleiches Brüderpaar.
Prädikat: Sehr sehenswert. Ach was, unbedingt sehenswert.
Bloodline ist nur bei Netflix zu sehen.
Dieser Post versteht sich als Kurzrezension im Rahmen des Labels Bestandsaufnahme/ Tagebuchbloggen. Es ist keine aufgeforderte und keine bezahlte Werbung. Es spiegelt meinen persönlichen Geschmack wieder.