verdammte Scheiße - Doch !
Zum Tod von Götz George
Nach dem ersten Schock war eines der ersten Dinge, die mir gestern Abend durch den Kopf gingen, die Feststellung, dass ich Götz George ein Stück weit für unsterblich gehalten hatte. Ich teilte diesen Gedanken auf Twitter. Die Reaktionen zeigten mir, mir ging es nicht alleine so.
Zu der Zeit - wir schrieben die frühen 80er - als George und mit ihm die polarisierende Figur des Horst Schimanski in Duisburg auftauchten, lebte ich dort. Schnell war er ein beherrschendes Thema in der Stadt. Die einen regten sich auf, weil der Tatort aus Duisburg nur die Schmuddelecken der Malocherstadt zeigte, die anderen erkannten in ihm den solidarischen Vorkämpfer, der sich die rohen Eier nicht aus dem Glas nehmen ließ und sich einen Scheißdreck um die Machenschaften der Großkopferten scherte und sich nie vor deren Karren spannen ließ. Wie auch auch der Mensch Götz George sich nie vor einen Karren spannen ließ, manche seiner daraus folgenden Ausbrüche sind legendär.
Duisburg ohne Schimmi war lange Jahre undenkbar. Bekam man Besuch von außerhalb, folgte unweigerlich die Bitte nach einer "Schimmi-Tour" und vor allem ein Besuch des "Schimanski-Tunnels" war Pflichtprogramm. (Ein alter, völlig runtergekommener Tunnel in Meiderich kurz vorm damals noch real arbeitenden Thyssen Hüttenwerks, heute Landschaftspark Nord, in welchem mehr als eine Verfolgungsjagd sein Ende nahm) Schnell sprach sich immer in der Stadt rum, wenn Schimmi in der Stadt war. Man wusste, er ist im Steigenberger umme Ecke, man kannte die Kneipe, wo er gerne hinging. Allerdings gab es damals noch nicht diesen übergriffigen Starkult von heute, er konnte in Duisburg relativ unbehelligt seiner Wege gehen. Ab und an bei schönem Wetter verbrachte ich mit meiner Freundin die Mittagspause auf dem Mercatorplatz gegenüber des Steigenberger, wo es damals noch Holz-Liegestühle gab, in denen man als blasser Büromensch kurz Sonne tanken konnte. und ab und zu sahen wir Schimmi mit seinem unverwechselbaren federnden Schritt vom Hotel kommend zum nächsten Drehort eilen, oft schon im unvermeidlichen Parka, dabei freundlich hierhin und dorthin nickend.
Unvergessenes Highlight in unserer damaligen Abteilung: Wie unser Chef zum Statist bei "Zahn um Zahn" wurde. Der Regisseur suchte gestandene, gediegene Herren, welche die Stadt-Honoratioren bei einem Aufeinandertreffen mit Schimmi in der Grassmann-Villa verkörpern sollte. Irgendjemand aus der Crew kannte einen, der einen kannte, wie das eben immer so ist und so fanden sich eines Abends drei meiner Kollegen, u.a. die imposante Erscheinung meines Chefs in einer Villa am Mülheimer Uhlenhorst wieder, harrend der Dinge, die da kommen sollten und die ziemlich lange auf sich warten ließen. Alldieweil George im Nebenraum damit beschäftigt war, eine Einstellung wieder und wieder zu drehen, seiner legendären Perfektionswut geschuldet. Aber - es war auch George, dem irgendwann die darbenden Statisten im Nebenraum einfielen und der die Kiste Bier für die drei orderte. Mein Chef sollte denjenigen spielen, der Schimmi drohend gegenüber treten würde und er tat das mit Grandezza und großer Gestik. Die Schilderung dieses Abends hat uns über Jahre bei Laune gehalten. Keine Feier, kein Abteilungskegeln, kein Umtrunk am Heiligabend, an dem nicht irgendjemand bat: "Chef, erzählen Se doch nochmal, wie sie Schimmi anne Gurgel gegangen sind". Die Szene blieb übrigens drin im Film und ist bis heute zu bewundern. Ach - und wie dann damals die Premiere des ersten "Tatorts goes Cinema" (nix Tschiller als Erster auffe Leinwand und so, muss bei der Gelegentheit dringend gesagt werden ) in Duisburg im alten immer leicht schmuddeligen Europa-Palast-Kino zelebriert wurde. Mein Chef und Kollegen waren auch geladen und wir standen draußen Spalier, die Kollegen und natürlich George zu beklatschen. Der - unvergessen bis heute - von den Angels im Motorrad-Konvoi zum Kino gebracht wurde. Man kann es wohl so sagen: Mit seinem Tod sind die 80er endgültig vorbei
Es waren aber auch noch andere Dinge, welche die Duisbuger bis heute nicht vergessen haben. Duisburg hatte ihm zum endgültigen Durchbruch verholfen, aber er gab der Stadt auch was zurück. Würde zum Beispiel. Alle, die damals dabei waren, die sich davon betroffen fühlten und über die Brücke der Solidarität gingen, um für den Erhalt der Krupp-Werke zu demonstrieren, alle die wissen auch noch, das Götz George sich damals für die Sache der Arbeiter einsetze und sogar durchsetzte, einen ganzen Tatort diesem Thema zu widmen. Alle, die damals dabei waren, werden ihm das nie vergessen. Auch später noch hat George, der eigentlich selten öffentliche Auftritte außerhalb der beruflich notwendigen wahrnahm, Schirmherrschaften für soziale Projekte in Duisburg angenommen. Duisburg und der Ruhrpott werden viele gute Erinnerungen an einen außergewöhnlichen Mann und Künstler bewahren.
Schmanski (mit ohne I, wie Hänschen zu sagen pflegte) war seine langjährigste Rolle, die, die er bewusst geprägt und angelegt hatte, aber es war natürlich nicht die einzige. George war ein unglaublich wandelbarer, akribischer Schauspieler, zu absolut jeder Darstellung fähig. Mit dem ihm heiligen Ernst hat er sich vor allem auch an der jüngeren deutschen Geschichte abgearbeitet, seine nuancierten Darstellungen in "der Totmacher", "die Katze", "der Maskenmann" - von all dem wird dieser Tage in vielen Nachrufen zu lesen sein. Ich würde gerne noch daran erinnern, dass er auch Komödie/Satire konnte. Selten habe ich mich so gut amüsiert wie über seine schmierige Reporterfigur Hermann Willie in Schtonk, kongenial an der Seite von Harald Juhnke. so unerreicht gut.
Über sein Privatleben wusste man wenig, gerade mal ein paar grobe Eckdaten. Dieses hat er über all die Jahre meisterlich verstanden abzuschirmen und war damit - wie ich finde - auch da durchaus ein Vorbild. Ich hoffe, er hatte einen friedlichen Übergang, man hätte ihm noch ein paar gute Jahre gegönnt. Ich persönlich empfinde es ja als etwas beruhigend, dass es seinem Umfeld in dieser sofort in hektische Erregungszustände fallenden Medienwelt gelungen ist, ihn so gut abzuschirmen, dass die Nachricht von seinem Tod noch etliche Tage geheimgehalten werden konnte. So wie George es für seinen Schimmi prophezeit hatte: Der Typ geht so leise, wie er laut gekommen ist. Gut so. Sehr gut sogar. Denn - die Nachricht war kaum über den Ticker- stritten sich Bild und DPA ganz öffentlich auf Twitter darum, wer jetzt wohl als Erster die Schlagzeile hatte. Aber ein paar Tage ungestörte Trauer hatte sein Umfeld und nun trauert die Öffentlichkeit. Die, die erstmal verstehen muss, dass er es nur in seinem künstlerischen Nachlass war - unsterblich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für deinen Kommentar!
Hinweis: Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass der von dir geschriebene Kommentar und die personenbezogenen Daten, die damit verbunden sind (z.B. Username, E-Mailadresse, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.