Sonntag, 7. Dezember 2014

Rituale - oder die Herrin der Lage

Rituale sind wichtig. Wissen wir. Aus diesem und jenem Grund. Und aus dem da auch noch. Manchmal passen einem althergebrachte, allgemeingültige Rituale aber einfach nicht, bzw. sie passen nicht gut in die Lebensumstände, die man gerade eben so hat. Manchmal muss man dann  eben einfach hingehen und eigene Rituale entwickeln. (Und wenn man Glück hat, erobert man sich mit diesen Ritualen dann auch den Titel der Herrin der Lage. )

So ging es uns vor vielen Jahren mit Weihnachten. Weihnachten war auf einmal unglaublich anstrengend geworden.  Es war alles - stressig, nervenaufreibend, kräftezehrend, belastend, aber nicht das vereinende Familienfest, dass wir uns doch alle eigentlich alle wünschen. Der Grund dafür war ganz einfach: Wir waren eine jener modernen Patchwork-Familien geworden, mit der Kernzelle Muttern, ruhebewahrender Stiefpapa und die beiden Jungs. Im Orbit um uns kreisten der Herr Papa samt Gattin Numero due und dreimal Großeltern. Alle um ein gutes Auskommen miteinander bemüht, was an sich schon kräftezehrend war, aber die Mühe durchaus wert. Nur eben Weihnachten - der weihnachtliche Gedanke blieb auf der Strecke. Von Heiligabend bis zum zweiten Weihnachtstag machten wir uns und vor allem die Kinder auf die Reise. Das waren eine ganze Menge Leute, die da gerecht behandelt werden wollten. Und irgendwie haben wir es auch immer hingekriegt. Aber von Besinnlichkeit, von Nähe blieb da nicht viel, vor allem nicht für uns vier.

Irgendwann besann ich mich meiner holländischen Wurzeln und erinnerte mich an die schönen Nikolaus-Bescherungen, die meine Großeltern immer veranstalteten. In Holland ist der Sinter Claas einer der höchsten Feiertage - auch wenn die Kontroverse um den zwarte Piet eigenartige Wellen um den Bug des Nikolaus-Schiffes schlägt - und der Abend vor Nikolaus ist der Pakjesavond, der Abend, an dem sich die Holländer bescheren und ihre Päckchen austauschen. Und so begannen wir, auch diesen Abend zu feiern. Nur für uns vier. Mit nach draußen gehängten Riesensocken ( die dann eilig die eingeweihte Nachbarin einsammelte und mit den bei ihr deponierten Päckchen füllte) mit Bescherung um den Adventkranz herum und mit ganz viel, ganz lecker Essen. Bei uns gab es dann schon einen Großteil der Geschenke, von uns bekamen die Jungs zu Weihnachten nur noch eine Kleinigkeit, so dass auch die Weihnachts-Geschenke-Flut ( ein unbestreitbarer Vorteil der Patchwork-Kinder) entzerrt wurde und unseren Geschenken eine größere Aufmerksamkeits-und Nutzspanne zuteil wurde. Vor allem aber war es immer ein Abend für uns vier. Und dieses Ritual hat sich tief eingeprägt bei uns vieren. Mittlerweile hat es sich etwas abgewandelt, vor allem, was die Geschenke-Verteilung angeht. Aber Nikolaus-Bescherung und ganz viel, ganz lecker Essen gibt es immer noch und wird auch so eingefordert. Ohne Nikolaus-Feier fehlt hier was. Und so eroberten wir uns  ein kleines Stück besinnlicher Familienhoheit zurück und ich hatte dadurch das Gefühl, auch wieder mehr Herrin der Lage zu sein.

In diesem Jahr bekam ich schon zum zweiten Mal eine wildschöne Aufmerksamkeit vom Sinter-Claas und sie war so passend, wie sie passender gar nicht sein konnte



Besonders witzig war es, dass unser verpennter Postbote es so gerade eben noch schaffte, dieses Paket 5 Minuten vor unserer Bescherung abzuliefern. Und besonders schön fand ich die Doppeldeutigkeit des Schildes. Das Herrin der Lage bezieht sich auf vieles. Aber es brachte mich eben auch auf den Gedanken, dass ich mir einst mit dem bei uns eingeführten Nikolaus-Abend ein Stück weit "Herrin der Lage" zurückerobert hatte.        

In diesem Sinne: habt einen besinnlichen 2.Advent-Abend und bleibt allzeit Herr oder Herrin der Lage.