Theater am Marientor, Duisburg 2016. BAP auf Jubiläumstour, unglaubliche 4 x 10 Jahre gibt es die Kölschrocker schon. In unterschiedlicher Besetzung. Mit wechselndem Erfolg. Aber es gibt sie noch und es ist ein Stück weit Herzenssache, hinzugehen. Nach 39 Jahren also mein vorerst letztes BAP-Konzert. Mit nummerierten Sitzplätzen. Rang Mitte links. Die erfahrene Rockkonzert-Besucherin in mir schluckt und weint leise. Aber nun - dem Alter will Tribut gezollt sein.
Und so war es dann auch. Fast 3 1/2 Stunden Konzert im kleinen, feinen, kuscheligen Marientor-Theater. Da ist es gar nicht so verkehrt, wenn man zwischendurch mal sitzen kann. Und vor allem - man kann großartig alles sehen und ist recht nahe dran.
Und natürlich wurde zwischendurch auch gestanden, getanzt und gesungen - einige Wenige, die gerüchteweise vor 39 Jahren zum ersten Mal bei BAP waren, konnten sogar die 40 Jahre alten Texte mitsingen (nur schade, dass diese wenigen Mitgröhlenden nicht so ganz die schöne Stimme hatten, ähem hüstel, aber da muss man durch. Also die anderen um mich herum. Pech gehabt ). Am Ende stand das Marientor noch, die Duisburger Philharmoniker können aufatmen und wir waren es zufrieden. Trotz der Sitzplätzen, die noch am Vorabend bei der Geburtstagsfeier des Ruhebewahrers für Heiterkeit gesorgt hatten : "Na, kommt. trinkt ruhig noch einen. Morgen Abend könnt Ihr Euch ja ausruhen. In Euren gemütlichen Theatersesseln."
Gut, das wolltet Ihr wahrscheinlich alles gar nicht so genau wissen. Sondern, wie es denn jetzt so war, BAP nach 40 Jahren. Sagen wir es so: Das Konzert war ok, der Abend war toll. Toll vor allem wegen der Atmosphäre und der schon aufkommenden Sentimentalität. Zwischen dem evangelischen Jugendheim in Emmerich und dem Marientor in Duisburg - vill passiert sickher. Sehr vill. Bei BAP, bei mir, bei wohl allen, die Montag da waren. Aber doch schön, dass es doch so eine Konstante gibt. Tatsächlich ist es mir nicht mehr möglich, zu zählen, wie oft ich BAP live gesehen habe, da waren in den 80ern ja auch die Festivals und Großdemonstrationen, wo man sich immer wieder begegnete. Im Hintergrund der Jubiläumsbühne ist eine große Bilderwand aufgebaut, auf der immer wieder Szenen aus den 40 Jahren eingeblendet werden und uns wird klar: Nicht nur, aber auch bei den entscheidenden Stationen waren wir dabei. Konzert an der toten Brücke, Arsch huh, Zäng ussenander und und und.
Ok - weil alles trotzdem anders bleibt. Das Musiker-Karussell hat sich mal wieder gedreht, es ist eben nicht mehr die Band von 1977 und auch nicht die aus den Neunzigern, leider auch noch nicht mal die von 2006. Der altgediente BAP-Trommler Jürgen Zöller ist auf eigenen Wunsch unter die Pensionäre gegangen, mit seinem Nachfolger Sönke Reich kam erstmals ein Musiker, der jünger ist als die Band. Und Helmut Krumminga ist nicht mehr dabei. Was vor allem mir sehr, sehr leid tut. Ich mochte die musikalische Weiterentwicklung der Gruppe, die in weiten Teilen Krumminga zu verdanken war, wirklich sehr. Allein, dass "Verdamp lang her" live auch nach so vielen Jahren immer noch ein großartiges Stück ist, das ist wohl Krumminga** zu verdanken. Warum genau er nicht mehr dabei ist, ist nicht bekannt.
Er fehlt jedenfalls sehr. Zur Rechten Niedeckens steht jetzt Ulrich Rode, meines Wissens der Mann von Anne de Wolff, die BAP live schon lange unterstützt und auch diesmal zum Glück wieder dabei war. Rode ist - trotz aller Bemühungen und Malmö Gedächtnisfrise - für mich kein gleichwertiger Ersatz. Er klingt sehr klassisch, weit weg von einem eigenen Sound, den Krumminga und der Mayor*** damals hatten. Was Rode abliefert, ist solides Handwerk - und in ein, zwei Stücken nicht einmal das. Da muss noch so ein kleines bißchen geübt werden, um es mal vorsichtig auszudrücken. Eine gute Entscheidung, einige der Soloparts - so auch bei Verdamp lang her - an den altgedienten Keyboarder Michael Nass zu geben. So kann man es auch machen, uns gefiel das gut. Eine große Bereicherung der Percussionist Rhani Krija. Es ist ja schon lange ein Markenzeichen von BAP live, immer viel Percussion dabei zu haben, dankenswerterweise.
Neu-Arrangements gab es auch ein paar, bezeichnen wir sie freundlich als gefällig. Neue Stücke vom Jubiläumsalbum Lebenslänglich waren auch dabei, auf den ersten Horch allerdings auch nichts, was vom Hocker reißt, zumal mir einige Texte beim ersten Hinhören sehr selbstgefällig mit Tendenz zur Hochnäsigkeit daherkamen. Aber das muss ich mir nochmal in Ruhe anhören, bevor ich mich da zu weit aus dem Fenster lehne.
Was bleibt:
Das Gute daran, seit 39 Jahren auf BAP-Konzerte zu gehen: Man kann wirklich alles mitsingen und über "et letzte Leed hück ovend" hab ich mich sehr gefreut. Konnte ich mich doch für 3 Minuten noch einmal wie die aufgeregte 13jährige fühlen, die ich 1977 war.
Das Schlechte daran, seit 39 Jahren auf BAP-Konzerte zu gehen: Man kennt sie alle, fast alle. Die Dönekes, die W.N. erzählt. Hat so ein bißchen was Schwiegervateriges.
Alles in allem: Wir jedenfalls waren froh, uns für das Sitzplatz-Konzert in meiner alten Heimat entschieden zu haben und nicht für den offiziellen Tour-Auftakt in der von uns ungeliebten Halle Münsterland.
Und auf alle Fälle: Glückauf für die Tour. Blievt so, wie Ihr woord. Jraaduss.
* beliebtestes Thema damals: Wehrdienstverweigerungs-Anhörungs-Tribunale: "Stell Dir vüür, do sitz daheim en dingem Jaade, nevven Dir do stünd e Flugabwehrjeschütz" unvergessen. Heute noch beklemmend
**Krumminga ist derzeit mit Inga Rumpf auf Tournee. Stell ich mir auch ganz gut vor.
*** Auch der Mayor tourt noch mit seiner HeuserBand.
Dies ist eine Konzertkritik, keine bezahlte oder unbezahlte Werbung. Dieser Post wurde nicht in Abstimmung mit den Künstlern geschrieben.