Freitag, 5. Dezember 2014

Memo an den Buchhandel - So gibt datt nix mehr

Tatort: Eine Buchhandlung im Ruhrgebiet. Filiale einer bekannten derzeit schwächelnden Kette.
Handelnde Personen:  Verkäuferin , die keine Angst um ihren Arbeitsplatz zu kennen scheint und die Prinzipien der Servicewüste Deutschland unverdrossen hochzuhalten sich auf ihre Fahne geschrieben hat, außerdem schlunzig angezogen. FrauvonBelang: Rezensentin für zwei anerkannte Kulturportale, Bildungsbürgerin, versierte Leserin, gut gekleidet. 
Tathergang: Normalerweise habe ich ja schon lange resigniert und wenn ich ein Buch kaufe, reise ich dafür für gewöhnlich nach Amazonien. Des gestrigen Tages begab es sich, dass ich in der Innenstadt zum workshoppen weilte, privat derzeit mit viel Stress und wenig Zeit gesegnet bin. Für ein Event übernächste Woche brauchte ich noch zwei Buchgeschenke, dazu wollte ich mir selbst noch eins schenken. Die Titel, die ich brauchte, waren jetzt nicht gerade abseits des Mainstream und dieserhalb auch den verketteten Buchhändlern zuzutrauen. Dachte ich hoffnungsfroh. Außerdem würde ich sie dort hübsch verpackt bekommen, dies eigentlich der Hauptgrund für meine Visite im real life Buchhandel.
Hereinmarschiert, von Geschenkartikeln beinahe erschlagen. Selbst wenn Tchibo seit neuestem sogar beheizte Wimpernformer führt, dort erkennt man wenigstens noch auch auf den ersten Blick den Daseinszweck, Buch Nr.1 auf meiner Liste relativ schnellt direkt gesichtet, klar, ist ja auch ein Schenkelklopper, den ich da suchte. Buch Nr. 2 und Nr. 3 nicht aufzufinden. Es gibt Stände mit "schön für Frauen", "edel für Männer", "für Schauriges und Bissiges" - da komm ich super drauf zurecht. Ich irre fünf Minuten durch den Laden, ziehe mehr als eine Augenbraue hoch bei den Empfehlungen, beschliesse schliesslich eine Verkäuferin zu suchen. Kassen sind unbesetzt, stehen zwar Kunden davor, aber nun. Es gelingt mir eine aufzutreiben.
V: Ja?  raunzt es mich barsch an."Brauchen Sie Hilfe". Autsch. Schon mal gut, dass in meinem Sektor vakante Stellen derzeit Mangelware sind und ich keine Vertriebskanonen in diesem Laden abwerben muss.
B: Ja, ich brauche Hilfe. Ich suche "Gott bewahre" von John Niven, aber als Taschenbuch."
V: Ist noch nicht als Taschenbuch raus
B: Doch, ist es. Ich bin mir sicher.
V: Sind Sie die Buchhändlerin oder ich?
Ich atme durch, bleibe ruhig, bitte die Verkäuferin mit meiner freundlichsten Vertriebler-Stimme, nachzusehen. Verkäuferin pfeift Hiwi ran
V:Guck mal innen "Compjuter", ob et datt Gott bewahre von Niven schon als Softcover gibt. Die Frau meint datt.
B. Nicht Softcover, als Taschenbuch.
V: Datt iss dattselbe
Isset zwar nicht, aber sei's drum. Die nervenberuhigende Kastanie in meiner Manteltasche hab ich sonst gleich kaputtgestreichelt. Hiwi bringt den Compjuter zum Absturz, ruft die nächste Verkäuferin zu Hilfe, man klickt sich 5 Minuten durch, es läuft wieder und siehe da  Welch Wunder. Es gibt das von mir gewünschte Buch, sogar als Taschenbuch. Sagenhafte 30 Exemplare sollen sich im Laden verstecken, nur leider steht da nicht wo. Verkäuferin rennt genervt zum Lager, schreit einmal laut " Ey" und knallt die Tür wieder zu. "Ey" scheint leider gerade auf der Toilette zu sein oder sonstwo, wo man das Gegröhle nicht hört. Mittlerweile irren 3 Verkäuferinnen plus faszinierter Kundin (ich) durch die Gänge, Azubine schließlich findet den Stapel. Liebevoll (nicht) in eine Ecke gerutscht. Ich hab mein Buch. Bin aber leider noch nicht fertig.
B: Ich suche noch das neue Buch von Anne B.Ragde?
V: Anne wer?
B: B.Ragde.
V: Kenne ich nicht, watt soll datt mit dem B? Wofür steht datt?
B; Weiß ich nicht. Britta, Brigitte, Birte, tut aber auch nichts zur Sache. Da steht garantiert nur Anne B.Ragde als Autorenname.
V: Muss man die kennen.
B: Wär nicht verkehrt, dass ist eine norwegische, preisgekrönte Autorin, welche die Neshov Trilogie geschrieben hat.
V: Dann gucken Se mal hinten bei den Krimis
B: Die schreibt aber keine Krimis, sondern Gesellschaftsromane
V: Ja, dann weiß ich auch nicht.
"Compjuter" mag man wohl nicht nochmal befragen. Der hat schon genug getan für gestern. Ich gehe nochmal zielstrebig zum Regal, siehe da, das Buch steht unter R, hätte ich ja auch vorher schon mal selbst gucken können, faule dumme Kundin, die ich bin. Dafür lass ich mir das Buch von der Ragde jetzt auch noch als Geschenk verpacken. Ich fand, das hatten mein Geduldsfaden und ich uns durchaus verdient.

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