Donnerstag, 15. November 2012

Lost - Gedanken zur Serie und zum Finale Teil 1


Denn wenn wir nicht zusammen leben können, sterben wir allein.
Der Schlüsselsatz aus dem Piloten.
Remember. Let go. Move on. Sie alle warten auf Dich.
Die letzten Sätze der Serie.

Dazwischen lag eine lange Reise. Für die Autoren, die Darsteller und für den Zuschauer. Ich habe Lost erst spät für mich entdeckt. Freunde liehen mir letzten Herbst die bisherigen fünf Staffeln auf DVD und ich war schnell infiziert. Ich begann mit der Serie in einer für mich schwierigen Zeit und sie wurde meine Konstante.

Perfekte Unterhaltung auf hohem Niveau. Mitgerätselt, mitgelitten, von den Mysterien gebannt. Begeistert von den unzähligen Anspielungen, der überbordenden Phantasie, den ungezählten Anspielungen auf andere Serien, auf Filme, Philosophien, Religionen. Am wichtigsten aber waren für mich immer die Charaktere und die Fragen, denen sie sich stellen mussten. Lost war vom allerersten Moment an ein Epos über Schuld und Vergebung, über Sühne und Liebe. Wann immer einer auf der Insel den Mund aufmachte, ging es genau darum. Sawyer, Jack und Kate haben sich nie dafür interessiert, wie der Eisbär auf die Insel kam. Was sie und die anderen quälte, war immer die Frage nach ihrer Bestimmung.

 Stringent sind die Autoren immer von ihren Protagonisten ausgegangen. Deren Fragen waren immer: wer sind wir, wo kommen wir her, warum sind wir hier gelandet, wie überwinden wir unsere persönliche Nemesis. Alles andere war Fiction, Erzählung, Märchen. So perfekt inszeniert wie nie zuvor im Fernsehen. Ich mochte die Losties und die Anderen, ich mochte die FlashBacks, ich war großartig unterhalten - von der Geschichte Jack Shepherds, des Arztes und Alkoholikers, der an sich selbst zweifelt und sich nichts so sehnlich wünscht wie die Anerkennung seines Vaters. Von Kate, der Mörderin auf der Flucht. Von Hurley, dem unglücklichen Lottogewinner. Von Sawyer, dem zynischen Trickbetrüger, der den Namen seines größten Widersachers angenommen hatte und sein Leben mit der Suche nach Vergeltung verbrachte. Von Locke, dem Mann im Rollstuhl mit tragischer Vorgeschichte. Von Sayid, dem irakischen Folterknecht, in dessen Herzen zwei Seelen wohnten. Von meiner Lieblingsfigur Ben-ich-habe-immer-einen-Plan-Linus, dem intrigianten Manipulator, um dessen unerbittliche, konsequente Rachefeldzüge ich ihn immer beneidet habe. Vom alterslosen Richard. Von Jacob und dem Man in Black, von Wissenschaftlern, die für ihre Wissenschaft über Leichen gehen und und und. So viele Geschichten, jede haarklein auserzählt. Von ihrer gemeinsamen Geschichte, wie sie gemeinsam lebten,litten und starben.

Und was alles sie seit dem Absturz erlebten und erlitten: Da war das geheimnisvolle Rauchmonster -von Sawyer im Finale auch ganz offiziell liebevoll Smokey tituliert- welches sich als die grauenvolle Konsequenz aus einem biblischen Bruderkampf entpuppte. Da war die utopistische Dharma-Initiative, die ihren Teil der Insel tragisch an die Anderen verlor. Da war der Frachter, der nicht das erhoffte Rettungsschiff, sondern die mörderische Kommandozentrale von Ben Linus' Erzfeind Charles Widmore war. Da war die gelungene Flucht von sechs der Überlebenden, der Oceanic 6, für die die Rettung zum Albtraum wurde, als ihre ungelösten Konflikte sie überwältigten und zu einer spektakulären Rückkehr veranlassten. Da waren die Verschiebungen des Raums und vor allem der Zeit, die Liebende und Freunde auseinanderrissen und andere aneinander banden , die seltsame Bündnisse und tiefe Feindschaften schürten. Und da war die Bombe, die am Ende der fünften Staffel alles ungeschehen machen sollte - und sie doch nur an den Anfang zurückbombte.
So viele Geschichten, jede einzelne von ihnen hätte für eine ganze Serie gereicht.