Mittwoch, 14. November 2012

Lost - Gedanken zur Serie und zum Finale Teil zwei


Es ist vorbei. Auch für die, die tatsächlich so viel Geduld aufbrachten, auf die deutschsprachige Fassung zu warten.

( nebenbei bemerkt, ich bin heilfroh, die sechste Staffel zunächst auf englisch geschaut zu haben. Die deutschen Übersetzungen sind gut, aber im englischen macht die Serie einfach nochmal soviel Spaß. Irgendwann werde ich mich sicher zu einem Re-Run entscheiden und dann gucke ich komplett auf englisch. Schon alleine, weil ich in der Originalsprache viel, viel öfter gelacht habe. Dies nur als kleiner flash sideway )

Jetzt also ist Schluss und - natürlich- Lost wäre nicht Lost, es bleiben Fragen offen.
Es war nicht geträumt. Die Insel ist nicht die Hölle, nicht die Nebenweilt der Psychiatrie. Alles ist wirklich geschehen.

Drei Jahre (Inselzeit), nachdem Oceanic-Flug 815 auf der Insel abstürzte und sich die Überlebenden mit Eisbären, Rauchmonstern, Intriganten und Strippenziehern on the island and across the sea, vor allem aber mit ihren eigenen Dämonen herumschlagen mussten, ist sie zu Ende. Die nach Twin Peaks verzwickteste Fernsehserie aller Zeiten. Mit dem letzten Wimpernschlag des sterbenden Jack senkte sich der Vorhang. Kaum jemand, ich schon gar nicht, hat wohl das Finale trockenen Auges überstanden. Nicht nur, weil Jack's Seele endlich Ruhe in der Aufopferung fand und der Held einen umwerfend traurigen Tod starb, sondern auch weil eine Ära endete. Eine Ära, die eigentlich ein Beginn hätte sein können. Für Unterhaltungsfernsehen auf hohem Niveau, unter Einbeziehung der web 2.0 Welt, weltweit vernetzt und diskutiert. Darlton/Cuse brachten die Serie würdig zu einem runden Ende, welches in guter lostiger Tradition Fragen unbeantwortet lässt, sondern stattdessen hochdramatisch die innere Befreiung der Charaktere zelebriert und den Kreis schliesst. "Lost" als sinngebender Titel bezieht sich ja auch nicht wirklich auf das Dasein der Losties in Raum und Zeit, sondern auf ihre seelische Orientierungslosigkeit und die Suche nach Erlösung. Lost - man kann es nicht oft genug sagen, handelt von unerfüllter Liebe, von verweigerter Anerkennung, von Nicht-Zugehörigkeit, Selbsthass und Selbstzweifel.

Vielfach wird nun kritisiert, es seien nicht alle Fragen beantwortet worden. Schon. Aber das hat Lost nie getan und auch nie versprochen. Die Figuren selbst haben ihre Fragen alle beantwortet bekommen. Am Ende steht eine klassische Erkenntnis: Erlösung bedarf Gemeinsamkeit, Zusammengehörigkeit. Die schönste war Bens, dem vielschichtigen, faszinierenden Bösewicht. Seine verbitterte Suche nach Zugehörigkeit erfüllt sich in den tief bewegenden Szenen mit Hurley auf der Insel und John im Afterlife.

Es gab auch in der Serie für alles ein erstes Mal und sei es, dass Jack endlich einmal Recht behielt. Wenngleich er und jene, die ihn liebten, auch einen hohen Preis dafür zahlten. Jack und Desmond argumentieren in ihrer letzten gemeinsamen Szene auf unterschiedlichen Bedeutungsebenen. Trostpflaster der Autoren für die Zuschauer, die sich nie so recht mit der lost-eigenen Logik anfreunden konnten? Jack hat recht: Alles ist wichtig, denn am Ende ist es den Losties nur um den Preis vergönnt, Frieden mit sich und ihrem Schicksal zu machen, dass sie ihre Bestimmung annehmen. Aber auch Desmond hat recht - früher oder später werden sie alle den Kampf gegen sich selbst aufgeben müssen. Siegt das Schicksal oder der freie Wille ? Sind Gut und Böse doch bloß Schwarz und Weiß des Spielsteins?
Wäre die Welt wirklich mit der Insel untergegangen, wenn Jack das Licht nicht wieder zum Leuchten gebracht hätte? Wäre Oceanic 815 nicht abgestürzt, wenn Desmond rechtzeitig die Zahlen eingegeben hätte?
"Die Wahrheit wird uns befreien - aber erst, wenn sie mit uns fertig ist.
"
Im Schlussdialog der letzten Episode sind Raum und Zeit, an deren Verschiebungen sich der Zuschauer sechs Staffeln lang aufgerieben hat, nicht mehr existent. So sagt es Christian zu seinem Sohn Jack
"There is no now here. Everyone dies sometime. Some of them before you, some long after you." Sie hatten gelernt, gemeinsam zu leben und so starben sie nicht alleine. Auf der Insel gaben sie sich bewusst und unbewusst Konstanten, so dass sie sich in der Zwischenwelt nach ihrem Wann-auch-immer-Tod erinnern konnten. "This ist a place that you all made together - that you could find one another. The most important time of your life was the time you spend with these people. Nobody dies alone. You needed them and they needed you." Um gemeinsam weiterzugehen. Dies wohl die Botschaft, die die Lost Macher uns mitgeben wollten: Dass man Seelenverwandte braucht, mit denen man sein Leben meistert, die man in der zeitlosen Welt nach dem Tod wiederfindet - wenn man bereit ist, nach dem Tod loszulassen und mit denen man weitergeht. Ins Nirwana des hellen Lichts. Auch die Kernaussage und die Gemeinsamkeit aller der Religionen übrigens, auf die im Kirchenraum und in dem Kirchenfenster Bezug genommen wurde.