Der schwarze Schwan. Odile. Hach.
Im Kino? Als Ausgangspunkt für eine psychosexuelle Studie? Hä? So zweigeteilt wie meine erste Reaktion ist auch mein Empfinden, nachdem ich den Film gesehen habe.

Schwanensee also. Der Inbegriff des Balletts schlechthin. Die verzauberte Prinzessin, die nur durch die Macht der Liebe erlöst werden kann und deren Erlösung an der Macht des Dunklen scheitert. Natalie Portman ist Nina. Eine junge, begabte Tänzerin, welche vom Choreographen und Chef de Compagnie Leroy erwählt wird, in seiner Neuinszenierung den Hauptpart zu tanzen. Leroy sieht sie als perfekte Odette, als perfekte weiße, reine, unschuldig verzauberte Schwanenprinzessin. Doch, so Leroy, wer den weißen Schwan tanzt, muss auch den lustvoll verführenden schwarzen tanzen können. Doch wie soll Nina, die Perfektionsbesessene, das ewige liebe Kind, etwas glaubhaft verkörpern, durch die Kraft ihrer Kunst ausdrücken, dass sie nie empfunden hat? Leroy provoziert sie, versucht zu verführen und "zaubert" schliesslich Lily hervor, eine Tänzerin, die alles verkörpert, was Nina nicht ist. Die perfekte Odile, gefürchtet und begehrt. Dazu noch die provozierte Konfrontation mit Beth (welcome back Winona Ryder), der ausrangierten Primaballerina, zerbrochen an den brutalen Gesetzmäßigkeiten der Ballettwelt.
Natalie Portmans schauspielerische Leistung - in jedem Feuilleton euphorisch bejubelt - ist unbestritten großartig. Ihre tänzerische, ebenfalls jubelnd besprochen? So großartig wie besprochen fand ich sie nicht. Sie tanzt solide, sie tanzt mit Hingabe. Keine Frage, für eine Schauspielerin aller Ehren wert. Aber - sie tanzt eine nicht wirklich schwere Choreographie. Ein neuer Stern am Balletthimmel? Ich sag es mal so: John Neumeier hätte sie nicht auf die Bühne gelassen. Nun - für John Neumeier ist dieser Film auch nicht gemacht. Auch nicht für kleine Ballett-Tänzerinnen mit großer Attitüde und Träumen. Der Film ist eine psychologische Studie und wäre als solche auch durchaus gelungen, wenn Regisseur Aronofski es dabei belassen hätte und nicht penetrant immer wieder den Film mit platten, billigen Schockeffekten durchbrochen hätte. Das Ballett dient ihm als Mittel zum Zweck. Als Projektionsfläche für die großen Träume des Lebens, für Disziplin, Selbstaufgabe, Hingabe. Aronofsky, dessen letzter Film "Wrestling" männlichen Körperkult als letzten Ausweg thematisierte, hat die Huldigung des Körpers als Werkzeug des eisernen Willens nun in Spitzenschuhe und Tutus gezwängt. (Nebenbei scheint er auch noch ein Spezialist für schwierige Comebacks zu sein. Letzthin Mickey Rourke und nun die wunderbare Winona Ryder. Ikone einer untergegangenen Zeit). Soweit okay. Es ist ein tolles Thema, eine tolle Vorgabe. Viel hat er daraus gemacht. Viel hat er aber auch wieder zerschlagen mit überflüssigen Horrorszenen, die einfach nur den Nachgeschmack hinterliessen, auch dem weniger gebildeten Publikum eine Projektionsfläche bieten zu wollen. Streckenweise war es ein unerfreuliches Gruselmärchen, welches unbekümmert mit den Stilmitteln des Trash-Kinos spielend Subtilitäten aushebelte, um hinterher ebenso unbekümmert den Anspruch großer Kunst zu erheben. Psychosexueller Thriller? Der Anspruch, den der Film im Trailer erhebt? Wirklich nicht. Gerade die erotischen Stellen, zum Fremdschämen peinlich am Thema vorbei. Angestaubte Psycho-Versatzstücke aus dem Mottenfundus, im planlos abruptem Wechsel zwischen feinsinniger psychologischer Studie und trashigen Effekten. Immer wieder thematisiert der Film die Mühe, Müheloses als Leichtigkeit zu verkörpern. An genau diesem Anspruch ist der Film meiner Meinung nach letztendlich gescheitert.