Sonntag, 20. November 2016

Wären wir besser nicht noch niemals in New York gewesen

Was.War.Denn.Das? Eine Runde Ich war noch niemals in New York und ich hatte noch niemals Gesangsunterricht?*

Die Schockstarre lässt langsam nach, ganz langsam. Aber immerhin so schnell, dass ich darüber berichten kann. Die Twittergemeinde weiß ja schon Bescheid. Im Rahmen der "endlich werden alle Geburtststagsgeschenke eingelöst" Aktion waren am Freitag die liebe Trixelinchen, ihr Mann, der nie schreibt, der Ruhebewahrer und ich im Essener Colosseum zum Musicalbesuch. Zwei Jahre, nachdem ich auf einem der letzten Konzerte von Udo Jürgens war, wollten wir mal schauen, wie so die Lieder im Musical "ich war noch niemals in New York" weiterleben. Fazit: Der arme Udo muss sich wie ein Ventilator in seinem Grab drehen (©Trixe) .

Gut, wir wissen: Udo Jürgens hat das Musical noch gesehen und auch authorisiert. Das kann man vielleicht, mit viel gutem Willen noch nachvollziehen. Trotz ganz dünner Story, ganz mühsamem, an allerdünnsten Haaren herbeigezogenem Bezug zu den Liedern, trotz Plattwitzen aus der Abteilung Niveau ist aus. Aber gut: Udo Jürgens war zuallererst Entertainer im Wortsinne. Wenn einer wusste, was das Publikum will, dann war er das und er hat es ihm (auch) gegeben.  Aber er hat garantiert nicht die Besetzung gesehen, die man nun, da das Musical in diversen Städten nur zweumonatsweise gastiert, auf das Publikum los gelassen hat.

Die Aufführung war so schlecht, dass dagegen die Aufführungen der Literaturkurse der Jungs am Gymnasium im Nachhinein wie preiswürdige Festspiel-Beiträge wirken. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Vielleicht bei der grottigen Aussteuerung der Musik. Wobei wir oft genug froh darum waren, dass das Orchester unverdrossen die Sänger übertönte. Denn die waren alles - nur keine Sänger. (Bis auf die kleine Riege der Darsteller, welche die Schwule-Gemeinde verkörperten). Der Rest war Grauen. Ich persönlich weiß ja von mir, dass ich keine besonders gute Sängerin bin und aus diesem Grunde singe ich auch ausschließlich im Auto. Wenn ich alleine bin. Selbst bei den Geburtstagsständchen für Kollegen bin ich immer die, die nur ganz leise flüstert. Soll sich ja keiner beleidigt fühlen an seinem Ehrentag. Aber seit gestern überlege ich ernsthaft, das zu ändern. Wenn so etwas auf einer Bühne geboten werden darf, dann kann ich auch in Gesellschaft singen.

Es gab Mitwirkende, die haben keinen, ich wiederhole keinen Ton getroffen. Und die ließ man dann so wunderschöne Titel wie "wie könnt' ich von Dir gehe " oder das Titellied verhunzen. Bei der ersten derartigen Darbietung dachte ich noch, das gehöre auf irgendeine Art und Weise, die sich mir noch erschließen würde, zur Dramaturgie. Doch am Arsch die Waldfee. Die gemeinten Musicaldarsteller-Darsteller trällerten unverdrossen schmerzfrei weiter. Bei den meisten anderen war es Glückssache, ob vielleicht wenigstens ab und an zumindest der Refrain erkennbar war. Dass die Riege aber weit mehr als die Hälfte der Einsätze verpasste, war da auch schon egal, da man dauernd der Musik hinterher stolperte. A propos stolpern: das bißchen dargebotene Gehüpfe würde ich selbst in meinem hohen Alter noch besser hinkriegen. Aber ok, ich hatte ja auch lange Jahre Ballettunterricht. Einigermaßen erträglich war die Darbietung nur, wenn der ganze Chorus zusammen auf der Bühne war.

Ganz ehrlich - das war schlicht eine Unverschämtheit. Die Karten haben 76, in Worten sechsundsiebzig Öcken gekostet. Mit Rabatt wohlgemerkt. Zum Vegleich: Für das Udo Jürgens Konzert 2014 mit dem großartigen Pepe-Lienhard Orchester und sehr professionellen Gastsängern haben wir 39,90 bezahlt !! Und auch wenn wir das Konzert damals nicht als erklärte Fan-Girls, sondern eher aus nostalgischen Gründen besuchten, waren wir sehr beeindruckt von der 100igen Perfektion, die geboten wurde und die für Udo Jürgens so wichtig und typisch war. Perfektion gab es im Essener Colosseum auch - von den gut geschulten Angestellten der Locataion.

Die Aufführung n Essen war nicht nur eine Unverschämtheit, sondern auch eine Beleidigung eines künstlerischen Erbes. Warum trotzdem Teile des Publikum begeistert mitklatschten, können wir uns nur so erklären, dass wir die Pillenausgabe nicht gefunden haben.Ganz ehrlich? Dass das typische Musical-Publikum nicht den gleichen kulturellen Anspruch stellt wie vielleicht andere Theatergänger ist klar. Ist auch ok. Aber so etwas muss man trotzdem nicht aufbieten. Das ist schlicht und ergreifend respektlos, um nicht zu sagen Abzocke.  Wir werden jedenfalls nächste Tage erstmal noch die Udo-Jürgens-Doku gucken, die auf unserer Festplatte noch schlummert. Um den Liedern ihre Würde zurückzugeben. Und immerhin: Liebe ohne Leiden haben sie nicht verhunzt. Was aber daran lag, dass es nicht zum Repertoire gehörte

Stoßseufzer des Abends. Also ich weiß nicht warum, aber ich fand es 
echt nicht gut (© der Mann, der nie schreibt )
Antwort des Abends: Ich weiß warum. Weil es einfach nicht gut war. 
(©die Trixe und ich im "zwei Doofe, ein Gedanke Modus)
Trost des Abends: auch die schlechteste Veranstaltung wird mit den richtigen 
Menschen im Nachhinein noch sehr lustig. 

*getwittert vom Ruhebewahrer