Sonntag, 14. Februar 2016

Und nochmal Handball

Whatsapp-Nachricht gestern mittag vom großen Kind: "Ziehe jetzt mit meinen Nachwuchs-Ariern in die Schlacht" . Ich verstehe. Am Tag 5 nach der unseligen Zeit-Kolumne ist dies das neue "ich begleite heute die A-Jugend als Trainer zum Spiel".

Im ersten Moment musste ich lachen, im zweiten war es erleichternd, dass die Handballer-Fraktion das Ganze nun von der satirischen Seite aufzäumt, im dritten Moment twitterte ich dies, im vierten lachten auch andere darüber, erst im fünften Moment blieb mir dann doch das Lachen im Halse stecken.

Stellen wir uns die Szenerie einmal bildlich vor. Da hätten wir also den 22jährigen Studenten der Juristerei, Handballbegeistert seit mittlerweile mehr als einer Dekade. Mit einer sicher nicht lammfrommen Jugendmannschaft durch alle Auf und Abs der Pubertät gegangen, durchaus daran gewöhnt, in eine Schublade gesteckt zu werden. In die der Wilden, der Lauten, der Assigen, der Trinkfesten. Aber nie auch nur annähernd in die rechte Schublade. Zugegeben, wir sind hier im Ruhrpott, hier haben weit mehr als die Hälfte der Mitbürger einen Migrationshintergrund und viele sind nicht nur dem Ausweis nach Deutsche, sondern als Menschen mit Migrationshintergrund in zweiter, dritter, teils schon vierter Generation auch durchaus an "kartoffeldeutschen" Sportarten interessiert. Die Einzigen, die sich ansatzweise für diesen Hintergrund interessieren, sind die Handball-Eltern und auch nur in der Weise, dass sorgsam alle Namen darauf abgeklopft werden, wie sie sich als Anfeuerungsruf einsetzen lassen. Da freut man sich halt über Vornamen wie Tayfun oder Orkan. Wie gesagt, die Idee, Handballer und ihr Umfeld seien die Speerspitze der selbsternannten Alternative für unser Land, ist derart abstrus, dass sie uns allen in 12 Jahren Handball-Umfeld nicht ein einziges Mal begegnet ist.

Zurück zum Studenten heute. Mittlerweile von der Ruhr an den Rhein gezogen, frönt er trotz der wenigen freien Zeit, die ein bekannt lernintensives Studium  ihm lässt, weiterhin begeistert seinem Lieblingssport. So sehr, dass er vor einiger Zeit gerne einsprang, als die Trainer für die Jugendmannschaften knapp wurden. Nun ist er also unterwegs mit dem Nachwuchs und erlebt als Trainer das, was er als Spieler immer auch gemocht hat. Das Wilde, das Assige, das Laute, den Teamgeist. Seit dieser Woche dann aber auch das, was so ein Artikel mit den Jugendlichen gemacht hat, die sich auf einmal völlig unerwartet in die rechte Ecke gestellt sehen. Die einen wollen wissen, was blutnah und widerständig bedeutet, die anderen greifen die Steilvorlage ihrem pubertären Naturell entsprechend auf und üben sich in martialischen Kampfrufen, frisch dem Geschichtsunterricht entnommen. Die Eltern sind besorgt, fürchten Trotzreaktionen und sowohl Eltern als auch junge Trainer sehen sich auf einmal damit konfrontiert, diese Lage, diese Reaktionen zu entschärfen. So weit, so normal die Reaktionen der Jugendlichen.

Was hingegen ich gar nicht normal finde: Warum bleibt es jetzt an den ehrenamtlichen, oft noch sehr jungen Aktiven hängen, dieses Weltbild gerade zu rücken und zu relativieren? Das, verdammt nochmal, ist nicht deren Aufgabe. Ist es nicht auch die Aufgabe der Zeit, die zugelassen hat, dass das losgetreten wurde?

Um es noch einmal ganz klar zu sagen : Der Wut-Philsophen-Bürger und seine  Ansichten gehen nicht nur mir sonstwo vorbei, auch im Relevanzkorridor anderer Handball-Aktiven taucht der Mann nicht auf. Was mich und andere wirklich stört, ist die Tatsache, dass die Zeit - eine durchaus in moralischen Fragen als ernstzunehmend angesehene Instanz - diese (erst im Nachhinein als solche gekennzeichnete) Kolumne nicht nur unwidersprochen so stehen lässt, sondern auch im Nachgang noch einen Rechtfertigungs-Artikel hinterherschiebt.