Donnerstag, 21. Januar 2016

Die Hashtaggisierung des Abendlands

Eine üble Unsitte greift auf Twitter um sich, die mich immer mehr nervt. Ich nenne es mal Hashtag-Mißbrauch. Sei es zur selbstbeweihräuchernden Betroffenheits-Profilierung oder um sich von der dummen Meute in pseudointellektueller Selbstbeweihräucherung gepflegt abzuheben.

Twitter kann man auf vielfältige Weise nutzen. Die gebräuchlichste ist zunächst, anderen Twitterern, deren Tweets einen interessieren, zu folgen. Man formt sich seine eigene Timeline - unabhängig davon, wer einem selbst folgt und kann so das lesen, was einen interessiert. Natürlich kommt man auch ins Gespräch, es bilden sich Lieblingsfollower heraus, manchmal auch mehr, es entstehen Freundschaften, die über den virtuellen Austausch weit hinausreichen. Immer auch gibt es natürlich Twitterer, die anderen vorschreiben wollen, wie Twitter zu nutzen ist, aber es herrscht ein mehrheitlicher Konsens darüber, dass jeder sein Twitter so nutzen mag, wie es ihm gefällt. (wenngleich es oft genug jene Selbstbestimmungs-Verfechter sind, die anderen gerne ihr Twitter vermiesen, dies nochmal eine andere Baustelle)

Darüberhinaus ist Twitter aber nach wie vor ein Informationsmedium, welches man vom Grundgedanken und Art des Aufbaus her so nutzen kann, dass man immer trefflich informiert ist. Hilfsmittel der Wahl, um an relevante Informationen zu kommen oder auch um andere Gleichgesinnte zu finden, ist der Hashtag. Dazu wird im Tweet ein Begriff verschlagwortet und mit einer Raute gekennzeichnet. Durch diese Hashtags entstehen auch die trending topics, an denen sich gut ablesen lässt, was Twitterer gerade so interessiert. Und da kommen sie auf den Plan: die Clickbaiter und Hashtag-Mißbraucher.

Nehmen wir z.B. den zur Zeit so beliebten Hashtag IBES. Die Buchstaben stehen für "Ich bin ein Star" und unter diesem Hahstag twittern alle, die etwas zum Dschungel-Workshop in Murwillumbah beitragen wollen. Sehr beliebt ist dabei aber auch, sich des Hashtags zu bemächtigen, um Werbung für etwas völlig anderes zu machen, in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit der Leute zu fesseln, die sich eigentlich zum Dschungel informieren wollten. Dabei kommt sowas raus wie "Die tollsten Taschentücher der Welt #IBES und dann ein Link", der einen auf die Angebotspalette einer handstickenden Manufaktur führt. Noch beliebter aber sind die, die den Hashtag nutzen, um zu zeigen, wie toll, wie klug sie sind und wie sehr sie sich von der Masse abheben. So etwas wie "Ich gucke kein #IBES , ich nutze Arte". Aha. Gut zu wissen. Das ist genau die Art von Information, die ich haben will, wenn ich auf den Hashtag klicke. Nicht. Ich für meinen Teil sehe diesen Twitterer immer sofort vor mir, wie er den Schwachsinn, den er da rausgeknödelt hat, einhändig in die Tasten kloppt und sich mit der anderen seine Eier krault, weil - er fühlt sich jetzt so überlegen, das ist schon so gut wie ein mittlerer Orgasmus.

Natürlich - volles Verständnis für die, die #IBES hassen. Aber dann liest man die Tweets einfach nicht, Hashtags kann man auch stummschalten und gut iss. Aber nein - es ist anscheinend oberstes Gesetz, wenn man schon mutet, dies zuerst unter dem Hashtag noch allen mitzuteilen. Mehrmals. Sollen ja alle wissen. Und von Jahr zu Jahr wird das schlimmer, gefühlt sind von 100 Tweets zum hashtag maximal noch die Hälfte wirklich themenrelevant. Es vergeht auch keine Woche, in der sich Sonntags in der Hashtag-Timeline zur #Lindenstrasse nicht wenigstens 20 Prozent darüber mokieren, dass es immer noch Idioten gibt, die diese Sendung gucken.Man sollte eigentlich wirklich meinen, nach all diesen Jahren wäre diese Diskussion mal durch. Ich hoffe, die Orgas - um es im Fürstensprech zu sagen - , die Ihr dabei durchlebt, sind es wert. Denn diese Art von Hashtag-Mißbrauch ist auch eins von den Dingen, die Twitter kaputtmachen und die ganz nebenbei bemerkt, auch erst in den letzten zwei/ drei Jahren um sich greifen. In den Anfangsjahren von Twitter hat es diese Profilneurotiker noch nicht gegeben, da hat man seinen Unmut anders kundgetan. Den Twitter early adopter erkennt man übrigens zweifelsfrei daran, dass er sich an diese ungeschriebenen Gesetze hält.

Und den richtig miesen Zeitgenossen erkennt man daran, dass er diese Gehabe auch bei Hashtags an den Tag legt, die lebensrettend sein können, wie beim Hashtag #porteouverte am 13.11.15. Diese Typen, die da herablassend verkündeten, dass #porteourverte doch eh nichts mehr bringe - die habe ich alle geblockt. Genau wie die, die wirklich jeden Abend ihr Maul aufreissen und sich trittbrettfahrend auf den hashtag IBES aufschwingen. Nur - eigentlich bin ich nicht zu Twitter gekommen, um dort in großem Stil zu blocken. Und auch nicht, um hier Kasalla und konfro zu machen. Schade. Sehr schade.