Montag, 4. Januar 2016

Die Angst hilft nur den Angstmachern

2015 war ein schreckliches Jahr. Es sind furchtbare Dinge passiert und sie wirken nach. Teil eins meines Jahresrückblicks ging darauf ein und in den Kommentaren sprachen wir auch genau darüber. Doch es bleibt die Frage - war es wirklich ein so selten grauenvolles Annus Horribilis oder kommt es uns nur so vor? Wird die Angst, mit der Viele aus dem Jahr 2015 gingen und in mit der Viele das Jahr 2016 begrüßen nicht noch zusätzlich geschürt?

In der Jahresstatistik hatte ich auch den Satz: "Wir erfahren zuviel, aber wir wissen zuwenig." Ich finde, das trifft es ganz gut. Das ganze Jahr über hatte ich nicht nur Probleme mit dem Berichteten, sondern vor allem auch mit der Berichterstattung. Medienschelte war auf einmal auch ein Thema in meinem Blog, vor allem, weil ich mich darüber mehr als einmal empörte. Und da will ich noch nicht einmal auf die vielen Rechtschreib- und Grammatikfehler hinaus, für die sich auch in etablierten Medien keiner mehr geriert. Nein, Clickbaiting, hetzendes, unreflektiertes Clickbaiting beherrscht die Nachrichtenlage. Marktschreier hat es zu allen Zeiten gegeben, aber so schlimm war zumindest das noch nie. Da bin ich mir sicher. Jeder kräht ungeprüft Schlagzeilen, die Meister des gefährlichen Halbwissens beherrschen die Bühne. Hintergrundberichte sind Mangelware. Kommentare, die Angst schüren, dafür Überschuss. Ganz schwer finde ich es, mich unabhängig einfach nur über nackte Tatsachen zu informieren.

Dazu kommt, dass immer nur ein, maximal zwei Themen die angekündigte Nemesis beherrschen. Ich sage nur Griechenland. Seit Monaten aus den Schlagzeilen raus. Will man wissen, wie es in Griechenland steht, muss man Börsenkurse lesen oder glaubt wirklich jemand, das Thema sei gegessen oder gar gelöst? Mitnichten. Andere Themen, die tatsächlich bitter und furchterregend sind, , werden direkt unter den Teppich gekehrt, sie könnten ja nun wirklich gefährdend für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung werden. Stichwort No go Areas in den Innenstädten. Gibt es nicht, wird sofort abgebügelt. Von allerhöchster Stelle. Wenn sie es denn überhaupt einmal in die Schlagzeilen schaffen.   Aber bitte - ich will hier nicht noch mehr Angst schüren.

Ich möchte gerne noch einmal einen Vergleich ziehen, den nur die Älteren ( die, die Helmut Schmidt noch als aktiven Politiker erlebt haben ....  ja, ja ich weiß. Aber macht watt dran, ich bin halt nachtragend ) aus Erfahrung ziehen können. Nehmen wir das Jahr 1986. Im April flog uns allen Tschernobyl um die Ohren - und ich bin bis heute sicher, dass die Folgen noch bis ins nächste Jahrhundert, so wir es denn erleben, reichen werden. Der kalte Krieg strebte seinem Höhepunkt zu, in Amiland saß ein größenwahnsinniger CowboyDarsteller am roten Knopf  und er ließ keinen Zweifel daran, dass er diesen drücken würde. In Berlin flogen Touristen durch Terroristenbomben in einer Discothek in die Luft, in der noch höheren Luft zerschellte die Challenger, in Irland tobte der Terror, im Baskenland ebenso. Alles ähnlich wie heute, aber geographisch noch wesentlich näher. Wer wollte, war informiert, das ging auch damals schon prima- auch ganz ohne dieses Internet.

Aber wir waren nicht hysterisch. Selbst wenn wir die Tschernobyl-Nacht verregnet in einer holländischen Stadt verbracht hatten, in der der höchste radioaktive Niederschlag Europas gemessen wurde. Im Zelt wohlgemerkt. Welches wir zur Dekontamination abgeben mussten, ebenso wie alle Sachen, die wir dabei hatten. (deshalb braucht mir keiner kommen, ich solle mit dem Rauchen aufhören, wenn ich verseucht wurde, dann in dieser Nacht)  Die Angst war unser Begleiter, aber diese Hysterie, die jede Nachricht heute begleitet, wie gesagt, sie war uns fremd. Und ich gehe soweit, zu sagen - das war auch besser so.

Schlimme Zeiten hat es in jedem Jahr, in jedem Jahrzehnt, in jedem Jahrhundert gegeben. Doch die Angst - sie hilft nur den Angstmachern. Denen, deren hysterische Berichterstattung, Meinungsmache, Panikschüre wir solange klicken, bis wir der Panik nichts mehr entgegensetzen können als den Rückzug in's Private. und das ist noch die harmloseste Variante. Ich gehe noch weiter: Wer sagt uns denn, dass die gesäte Angst, die Panikmache nicht noch weitere schlimmere Nachrichten nach sich zieht. Wieso ziehen denn diese ganzen jungen Männer in den Dschihad und damit in ihr Verderben? Weil sie keinen Ausweg mehr sehen , keine Perspektive, nur noch Angst. und um es auf die Spitze zu treiben: Weiß man, was den Todespiloten von Germanwings trieb? Ausweglosigkeit auf jeden Fall. Aber wo kommt sie her, solche Ausweglosigkeit? Aus einer Depression alleine nicht, das kann mir keiner erzählen. Ausweglosigkeit gepaart mit Panik, multipliziert mit Rachegedanken, weil man meint, das eigene Leben sei zerstört und schuld sind immer die anderen und da muss jetzt wer büßen und Ihr werdet alle noch von uns hören. Nee, Leute, das muss aufhören. Dringend. Bißchen mehr Distanz, bißchen Sachlichkeit täte allen gut, täte dringend Not.