Sonntag, 22. August 2010

Macht Schluss mit der Kulturhauptstadt

Beendet diese Farce.
Die Menschen hier waren skeptisch. Sie hatten ein ungutes Gefühl.
Dann haben sie sich darauf eingelassen. Beispiel Schachtzeichen. Erst war Unbehagen. Das Gefühl von Feiern auf der Titanic. Dann hat es uns gefallen, weil wir so der nachfolgenden Generation noch etwas vermitteln konnten. Es war vorbei und zurück kam das Unbehagen. Dennoch, die Menschen hier: Sie haben mitgemacht. Sie haben tage- und nächtelang mit gelben Ballons verbracht, sie haben revierweit gesungen, sie haben den Kulturkanal aus der Taufe gehoben, sie haben eine Autobahn belebt, sie haben sogar Eisberge im Baldeneysee bewundert - ohne zu fragen:
Ist das Kunst oder kann das wech?
Dann haben sie gesehen, was in Duisburg passierte. Dieser Schatten wird für immer über der Ruhr2010 liegen. Duisburg wird sich niemals wieder von dieser Tragödie erholen. Das hat Duisburg nicht verdient. Und das ganze Ruhrgebiet mit Duisburg nicht.
Ausgerechnet im Kulturhauptstadtjahr pilgerten viele langjährige treue Fans erstmals nicht zu den Ruhrfestspielen und überließen "ihr" Festival denen, die sich damit schmückten. Die RuhrTriennale, seit gestern ist sie eine Hommage, ein Hort der Trauer. Der Tag, an dem sein "SMASH" dort hätte Premiere hätte feiern sollen, an diesem Tag ging einer unserer Großen, Christoph Schlingensief, in den Himmel, in den er nicht wollte. An diesem Tag, der sein Todestag werden sollte, mussten die Menschen in der Region morgens in der WAZ lesen, das Bernd Schindowski sich vom Musiktheater im Revier verabschiedet. Ob es an der Million gelegen hat, die er einsparen sollte, musste? Man weiß es nicht. Trotzdem: Dies ausgerechnet im Kulturhauptstadtjahr ein toller Dank an Schindowski, der für Strahlkraft weit über die Grenzen des Reviers hinaus gesorgt hat.
Viele hier sind es leid. Wir können unsere Ruhrfestspiele, unsere Triennale, unser Bochum Total auch ohne übergestülptes Etikett. Wir bevölkern unsere Theater, Opern- und Schauspielhäuser seit Jahrzehnten begeisterungsfähig und neugierig im besten Sinne. Gäste nehmen wir mit offenen Armen auf. Aber hört auf, diese gewachsene Kulturlandschaft als Selbstbeweihräucherungszeremonie zu mißbrauchen.
Macht Schluss mit der Kulturhauptstadt. Beendet diese Farce jetzt.
Aus Respekt vor den Opfern der LoveParade. Aus Respekt vor Christoph Schlingensief.
Nehmt das Geld, welches für die restlichen Leuchturmprojekte noch schläft. Gebt es den Angehörigen der Loveparade Opfer, gebt es dem Schlingensief-Projekt in Burkina Faso und lasst uns hier sein. Einfach sein.