Freitag, 13. April 2018

T.G.i.F. - bis zum bitteren Ende

Tach auch Liebeleins. Ich bin ermüdet. Ermattet. Und das liegt nicht an der Frühjahrsmüdigkeit oder an den Diclos, die ich mir gerade zu Gemüte führe. Es liegt an der immer gleichen Diskussion seit nicht nur gefühlten Jahrzehnten. Eigentlich wollte ich kein TGiF schreiben, aber es muss da mal was raus. Weil ich da seit gestern drüber nachdenke.

Gestern abend, 20:15 Uhr. TV-Prime-Time hätte man früher gesagt. Wir sind mit unserem abendlichen Gewusel noch nicht ganz so weit, dass wir uns unserer alternativen Prime-Time aus Amzonien widmen können. Also läuft der Fernseher so vor sich hin im Hintergrund. Der WDR hat fertig mit Nachrichten, Tatort im Hintergrund ist eher so braucht man jetzt auch nicht, ich vergesse, dass Donnerstags Mare-TV kommt und schalte unbedacht auf Vox und diese Echo-Verleihung. Die blöde Idee dahinter: Dann läuft halt ein bißchen Musik solange.

Blöd. Ich weiß. Vor allem, weil ich vorher durchaus einiges gelesen hatte über die vorausgehende  Kontroverse. Über die Nominierung für diesen Kollegen, den ich zum Glück bis dato allenfalls aus dem EinsLive-BaboBus kannte und diesem anderen, dessen Namen ich mir nicht merken kann, der sich aber anhört wie der kleine Bruder eines Badreinigers. Und auch entsetzt bin. Über die Texte, ihre entlarvende Dummheit, aber vor allem darüber, dass ein Fernsehsender und eine ganze Industrie das Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit ausbreiten, um billige Publicity zu generieren und einfach mal so dem Antisemitismus eine Bühne bieten. Und das an Jom Hashoa, dem Holocaust Gedenktag. Arm. Erbärmlich. Unendlich traurig. So weit, so klar für mich.

Dann kam das, was kommen musste. Worüber ich seit gestern nachdenke. Recht früh kam die Kategorie Rock National und mein erster Gedanke war: Lass Kraftklub gewinnen. "Keine Nacht für Niemand" ist ein tolles Album.( ich muss das wissen, ich hab die Zielgruppe im Haus, die mich unweigerlich dran teilhaben lässt.) Das würde also in Ordnung gehen.  Der eigentliche Grund hinter meiner Großzügigkeit: Ich ahne, was kommt, wenn die Hosen gewinnen. Und ich will es nicht mehr hören. ich kann es nicht mehr hören.

Kraftklub gewann nicht. Dafür die Hosen. Ich behielt recht mit dem, was kommen musste. Herr Frege ging alleine auf die Bühne und hielt die Rede, die wir Hosen-Fans von ihm kennen. Und es hat mich unendlich genervt. Unendlich. Ich wartete nur darauf, dass Onkel Wolfgang (Niedecken) auf die Bühne hechtet und zum nächsten "Arsch huh, Zäng ussenander" bittet. Seitdem denke ich darüber nach, warum es mich so genervt hat.

Es hat mich nicht genervt, dass Campino sagte, was gesagt werden musste. Mich hat genervt, dass er es immer noch sagen muss. Dass er es in zunehmender Schärfe sagen muss. Dass ich diese Ansprache seit 30 Jahren sinngemäß höre. Dass er anscheinend mit seinen Ansprachen immer nur die erreicht, die ihm sowieso zustimmen. Dass sich einfach nichts ändert, nein, dass es wieder schlimmer geworden ist, viel schlimmer. Wir waren schon mal weiter. Das hat mich einfach unglaublich genervt und ermüdet. Wer es nicht gesehen hat: auf Youtube findet es sich mehrfach.

Danach hatte ich dann mal so überhaupt keine Lust mehr, dieser jämmerlichen Veranstaltung weiter zuzuschauen und hab mir lieber die (fiktive) CMAward-Verleihung in Nashville angesehen. Erspart blieb mir dadurch die Reaktion der in Frage stehenden tatsächlich den Preis gewinnenden sogenannten Künstler. Wie man lesen kann, war sie immerhin eins: Entlarvend.

Heute morgen hab ich mir Campinos Ansage nochmal angesehen. Es ließ mich nicht los, dass es mich so genervt hat. Dieser Gesichtsausdruck von Campino, als er aufsteht, um zur Bühne zu gehen. Wahrscheinlich hat er dasselbe gedacht, was ich hier versuche darzulegen: "Es kotzt mich an, wieder und wieder dasselbe sagen zu müssen. Aber ich werde es tun. Weil es sein muss". Niemand sonst übrigens hat es getan. Er blieb der Einzige. ( Zur Ehrenrettung anderer Anwesender: ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass auch die Kraftklub-Jungs was dazu gesagt hätten. Und wenn sie nur "Spring aus dem Fenster" intoniert und adressiert hätten)

Auch wenn einige gerne gerade gegen Campino schießen und ihn als Gallionsfigur der "Punk ist tot" Twitter-Memes sehen, seit er es gewagt hat, eine Krawatte zu tragen - Man kann zu ihm stehen, wie man will, aber man muss ihm eines lassen: Er hat Durchhaltevermögen. Gerade auch in dieser Sache.  Er ist vielleicht auch reichlich desillusioniert, aber noch lange nicht resigniert ( um dann doch nochmal Herrn Niedecken zu zitieren ).  Und deswegen: Hosen, wir sehen uns am 24.Mai. Wir werden wieder mitbrüllen, wenn die Nasenflöte kommt "Nazis raus" . Bis zum bitteren Ende